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Portrait

Otto Diehl (1926-2018)

OTTO DIEHL wurde am 11. Juni 1926 in Langstadt, heute ein Ortsteil von Babenhausen in Südhessen, als Jüngster von 3 Geschwistern geboren. Nach Schulzeit und Ausbildung auf einer Finanzschule kam er als 17-jähriger zum Militär und geriet im November 1944 in den Vogesen in Kriegsgefangenschaft. Erst beim dritten Fluchtversuch kam er durch und erreichte im März 1948 seinen Heimatort.

Jetzt suchte er die lange vermisste Freiheit in Wald und Flur. Er wurde zum Waldläufer, Spurenleser, Naturerkunder. Alles interessierte ihn, und dabei zeigte sich seine Ausdauer. Tagelang saß er in seinem Versteck und beobachtete die Brutwand mit dem damals letzten Wanderfalkenpaar im Altkreis Dieburg, oder er verharrte vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung im Baumversteck vor dem Sperberhorst, um das Horstgeschehen den ganzen Tag über hautnah mitzuerleben.

Seine Beobachtungen hielt OTTO DIEHL mit der Kamera fest und versuchte, die Tierfotografie zu seinem Beruf zu machen. Er verstand es, die Wirkung eines Bildes durch die Wahl des Ausschnittes zu verstärken und das Atmosphärische eines Motivs zu betonen. Die Veröffentlichung seiner Dachsfotos in der Frankfurter Illustrierten brachte die erste größere finanzielle Anerkennung. Insgesamt waren die Bildhonorare so niedrig, dass ein Auskommen nur bedingt möglich war. Zudem wurden von den Redaktionen oft „frisierte Volierenaufnahmen“ bevorzugt. Zwei Operationen gaben schließlich den Ausschlag für die berufliche Neu-Orientierung. Im Juli 1960 erfolgte die Anstellung als Industriekaufmann beim Resopal-Werk in Groß-Umstadt. Als Leiter der Abteilung „Resopal-Unterdruck“ hatte OTTO DIEHL ständige Kontakte mit Malern, Graphikern, Fotografen, Druckern und Architekten. Es ging um die Herstellung von künstlerisch graphischen Originalarbeiten auf Spezialmaterial und deren Einbettung in Resopal. Dabei kamen ihm sein Kunstsinn und seine fotografische Praxis zugute. Während der Tätigkeit bei Resopal bis zum Übergang in den Ruhestand 1991 hatte OTTO DIEHL viele Naturschutztermine während der Arbeitszeit wahrzunehmen, die von der Betriebsleitung wohlwollend akzeptiert wurden.

Im Jahr 1961 heiratete OTTO DIEHL. Mit seiner Frau MARTHA hat er zwei Söhne und eine Tochter. Zwei Enkelkinder sind inzwischen noch dazugekommen.

Aus der Beobachtung der Vorgänge in der Natur erkannte OTTO DIEHL schon früh die Verletzlichkeit der Natur, und er wollte seine Kenntnisse nicht nur für sich behalten. In vielen Vorträgen verstand er es bis heute meisterhaft, seine Zuhörer an seinen Erlebnissen und Beobachtungen teilhaben zu lassen. Ihm war daran gelegen, auch andere für die Natur zu begeistern und vor allem um Unterstützung zu werben. Am 1. März 1958 gründete er die Langstädter Gruppe im damaligen Bund für Vogelschutz (heute NABU), deren Vorsitz er 50 Jahre (!) lang inne hatte. Die Mitgliederzahl in dem kleinen Ort ist unter seiner Führung von 7 auf 120 gewachsen. Immer auf der Suche nach neuen Wegen, informierte OTTO DIEHL mit einem bebilderten Kalender statt mit der üblichen Vereinschronik über wichtige Projekte während der 50-jährigen erfolgreichen Naturschutzarbeit in Langstadt. Die Ausweisung des „Wingertsbergs“ bei Langstadt als Landschaftsschutzgebiet ist ein wichtiger Mosaikstein beim Schutz des Steinkauzes. Ein mit Streuobst bestandener ehemaliger Weinberg, im Baumbestand schon stark ausgedünnt, wurde wiederbelebt. OTTO DIEHL begnügte sich nicht mit Anreizen für die Ergänzung und Pflege der Baumbestände durch Privatbesitzer. Auf 3,5 ha für den Naturschutz erworbenen Flächen wurde in eigener Regie die Regeneration vorangetrieben, mit Pflanzung und Pflege der Obstbäume, Hecken- und Grünlandpflege in Zusammenarbeit mit örtlichen Landwirten. Ein Anliegen ist es OTTO DIEHL eben auch, solche Naturschutzflächen als Teil der Kulturlandschaft zu begreifen und landwirtschaftlich zu nutzen. Er ist stolz dar- auf, dass der Grasaufwuchs vollständig als Viehfutter verwendet wird. Nach der Gruppengründung in Langstadt war OTTO DIEHL an der Gründung des NABU-Kreisverbandes Dieburg beteiligt, den er über Jahrzehnte führte. Das Amt des Kreisbeauftragten für Vogelschutz im Altkreis Dieburg hatte er von 1969 bis 1999 inne.

Besonders hervorzuheben ist aus dieser Zeit:

  • Die Erfassung der Totfunde von Greifvögeln und Eulen und die Ergründung der Todesursachen durch Untersuchungen beim staatlichen Veterinär-Untersuchungsamt Frankfurt/Main, bei der Uni Gießen und vor allem bei der Klinik für Geflügelkrankheiten bei der Ludwig-Maximilians-Universität in Ober-Schleißheim bei München.Rund 450 Befunde liegen vor, die in den 1970er und 1980er Jahren noch erhebliche Belastungen durch Umweltgifte, krankhafte Veränderungen der inneren Organe, besonders von Leber und Niere, aufwiesen.
  • Die frühe Feststellung, dass größere Vögel, besonders Greifvögel und Eulen auf Mittelspannungs-Betonmasten mit Stützisolatoren sitzend, durch Stromschlag erheblich gefährdet sind. OTTO DIEHL erreichte beim regionalen Stromversorger, dass schon 1971 die gefährlichsten Leitungsstrecken durch Anbringung von Plastikzangen entschärft wurden. Die Plastikzangen, die nicht den optimalen Schutz boten, sind mittlerweile durch Abdeckhauben ersetzt worden.
  • Die Eröffnung des „Sonderkontos Naturschutz im Altkreis Dieburg“, das durch seine geschickte Akquisition nach allen Seiten wuchs, machte den Ankauf von 65 ha Naturschutzeigentum sowie die Finanzierung vieler Naturschutzmaßnahmen möglich.

OTTO DIEHL erkannte bald, dass die Natur nicht nur starke Fürsprecher braucht, sondern auch Leute, die etwas anpacken. Dies galt für ihn auch beim Wanderfalken. Er arbeitete eng mit der Aktion Wanderfalken- und Uhuschutz und der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz in Baden-Württemberg zusammen und ermöglichte mit vielen Horstbewachungsaktionen in Frankreich und Baden-Württemberg so manchem Jungfalken das Ausfliegen.

OTTO DIEHL wurde am 20. Juni 1978 Mitglied bei der AG Eulen und war von 1983 bis 2003 deren Landesvertreter für Hessen. 1987 organisierte er die Jahrestagung der AG Eulen in Dieburg und 1989 war er Mitorganisator der Jahrestagung in Breuberg. Beim Erfahrungsaustausch mit anderen Eulenspezialisten fiel ihm auf, dass der Schleiereule oft viel zu kleine Brutkisten angeboten werden. Er wies auf die Ammoniakkonzentration in den kleinen Behältnissen hin und kämpft vehement für die Einrichtung größerer Bruträume, z. B. Bretterverschläge auf Kirchenböden, die er „Eulenstuben“ nennt, die zwar mehr Material und mehr Einrichtungszeit erfordern, aber den Jungeulen eine artgemäße Entwicklung ermöglichen und bei weitem nicht so oft gewartet werden müssen wie die kleinen Kistchen mit einer Bodenfläche von nur 0,5 m². Er meint, dass Maßnahmen erst dann zum Artenschutz werden, wenn die Bedürfnisse der Schützlinge weitgehend berücksichtigt sind. Er wurde 1969 Mitglied bei der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und 1972 Leiter des Arbeitskreises Dieburg mit Sitz im Gesamtvorstand. Auch heute noch ist er als Vorstandsmitglied ständiger Mitarbeiter der HGON.

In den 1960er Jahren ging der Steinkauz-Bestand im Altkreis Dieburg auf weniger als ein Fünftel zurück (von 150 auf < 20). Als Hauptgrund ist der Lebensraumverlust durch Bebauung und Rodung anzusehen – gefördert durch Rodungsprämien und Flurbereinigung. Im Altkreis Dieburg gingen über 80% der Obstbäume durch Rodung verloren. Dies hat OTTO DIEHL nicht hingenommen und als Kreisbeauftragter für Vogelschutz eine Hochstamm-Pflanzaktion ins Leben gerufen, die inzwischen zur Pflanzung mehrerer Tausend Obstbäume geführt hat. Auch 2010 wurden wieder knapp 600 Bäume über die Obstbaum-Pflanzaktion im Altkreis Dieburg gepflanzt.

Bei diesem Engagement für die Natur bleibt es nicht aus, dass bestimmte Arten eine besondere Bedeutung für den Akteur erlangen. Bei OTTO DIEHL kommen gleich mehrere Vogelarten in Frage. Mit Schleiereule, Steinkauz, Uhu, Ziegenmelker, Wanderfalke, Brachvogel und Uferschwalbe hat er sich intensiv befasst und sie in besonderer Weise und über lange Zeiträume hinweg beobachtet. Für die Schleiereule beispielsweise begann er 1971 mit der systematischen Erfassung der Bestände im Altkreis Dieburg und führte diese Kontrollen bis ins hohe Alter fort – bis zu seinem Unfall 2006.

Als Spezialist für die Schleiereule wurde er von verschiedenen Zoologischen Gärten um Hilfe bei der Auswilderung von Nachzuchten gebeten (Zool. Gärten Berlin, Frankfurt, Zürich und Vivarium Darmstadt). OTTO DIEHL sorgte in seiner Auswilderungsvoliere dafür, dass die flüggen Schleiereulen den natürlichen Nahrungserwerb üben konnten. So waren die Vögel bestmöglich vorbereitet, wenn sich die Tür in die Freiheit für sie öffnete. Die Voliere war auch sonst kaum einmal unbesetzt. Die meiste Zeit wurden hilfsbedürftig aufgefundene Greifvögel und Eulen darin gepflegt. Besonders über die Wintermonate und in der Bettelflugphase der Greifvögel erreichte die Belegung oftmals die Kapazitätsgrenze. In seiner staatlich anerkannten Greifvogel-Pflegestation hat OTTO DIEHL im Laufe der Jahrzehnte hunderte verletzter Greifvögel und Eulen aufgenommen und nach entsprechender Gesundung wieder ausgewildert. Dabei wurde er tatkräftig von seiner Frau MARTHA unterstützt, die nicht nur für den Einkauf der „Patienten-Schnitzel“ sorgte, sondern hierfür auch eine Mäusezucht betrieb.

Von besonderem Wert ist das Engagement OTTO DIEHLs auch dort, wo nicht der unmittelbare Kontakt mit der Natur die Arbeit bestimmt, sondern der Naturschutz Büroarbeit erfordert. Mit der Forderung nach der Ausweisung von Naturschutzgebieten lieferte OTTO DIEHL stets auch die notwendigen fachlichen Unterlagen und Argumente. Ob es sich um Feuchtwiesen mit botanischen Raritäten, ehemalige Steinbrüche mit Wanderfalken- oder Uhubruten, oder das älteste Naturschutzgebiet im Altkreis Dieburg, das NSG „Reinheimer Teich“ handelt: Alle Naturschutzgebiete im Altkreis Dieburg gehen auf seine beharrliche Arbeit zurück. Mit der gleichen Ausdauer arbeitet OTTO DIEHL an den Stellungnahmen im Arbeitskreis der „§ 29- Verbände“ zu Bebauungs- und sonstigen Planungen. Auch heute noch sitzt er viele Nachtstunden in seinem Arbeitszimmer, um Stellungnahmen zu formulieren und Naturschutzinitiativen zum Erfolg zu verhelfen.

Das Engagement von OTTO DIEHL wurde inzwischen vielfach gewürdigt und auch ausgezeichnet. Hier sollen nur die Verleihung des Willy-Bauer-Preises 1998 und des Bundesverdienstkreuzes am Band 1999 erwähnt werden.

Für die Natur, besonders für die Avifauna in Südhessen, ist es ein Segen, dass sich OTTO DIEHL seit vielen Jahrzehnten sehr intensiv für den Naturschutz engagiert. Danke!

In mehreren Fachzeitschriften hat OTTO DIEHL über 20 Artikel zur Schleiereule und anderen Eulen verfasst und für die Avifauna von Hessen die Artkapitel Waldkauz und Schleiereule geschrieben.

Klaus Hillerich, mit freundlicher Unterstützung durch Dirk Alexander Diehl, 2011 im Eulen-Rundblick 61: 148

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